Tobias Schmidt

Skript zum Vortrag
Pattern Languages

Hochschule der Künste Berlin
Fakultät Gestaltung
Studiengang Visuelle Kommunikation
April 2000







Pattern Languages


1 Begriffsdefinition

“Language” bedeutet übersetzt “Sprache”.

Im weitesten Sinn ist Sprache ein konventionelles System von Zeichen zu Kommunikationzwecken. Die konventionen des Systems Sprache legen unter anderem die Bedeutung von Zeichenkombinationen (Wort und Satz) und deren Aussprache fest.

Es gibt neben den gesprochenen Sprachen unter anderem auch Programmiersprachen, die Gebärdensprache, die Blumensprache und Pattern Languages.

Die Bausteine einer Pattern Language sind “Patterns”. Pattern meint in diesem Zusammenhang nicht die sich wiederholende, dekorative Gestaltung, wie man sie auf Stoffen oder Tapeten findet. Pattern ist besser im Sinne von Vorlage oder musterstück zu verstehen, nach welchem Kopien angefertigt werden. Keine exakten kopien, sondern jede anders und der Situation angepasst. Hierzu später mehr. Eine weitere Übersetzungsmöglichkeit des Wortes Pattern, die zur Begriffsklärung von “Pattern Language” beiträgt, lautet “hervorragendes Beispiel” (an example of excellence).


2 Alexanders Pattern Language

Vor zwanzig Jahren schockierte Christopher Alexander die Welt der Architektur mit seinem Buch “The Timeless Way of Building” [Ale79]. Seine These war, man könne exzellente Architektur schaffen, indem man eine Sammlung sorgsam formulierter Regeln, die er Patterns nennt, anwendet. Obwohl die Qualitäten guter Architektur sehr komplex und schwer mit Worten zu beschreiben sind, sind die Design Patterns erstaunlich einfach und auch für Laien leicht verständlich.

Die Patterns, welche er und seine Kollegen formulierten (veröffentlicht in einem zweiten Band, “A Pattern Language” [AIS+77]) sind ein Versuch, Generationen architektonischen Wissens zusammenzufassen. Dabei sind die Patterns keine abstrakten Grundsätze, die den Anwender zwingen, ihre erfolgreiche Anwendung stets neu zu erforschen, noch sind sie allzu spezifisch für eine bestimmte Situation oder Kultur. Ein Pattern beschreibt mögliche Lösungen für übliche Gestaltungsprobleme in einem bestimmten Kontext und schildert die Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Lösungen.

Die über 250 Patterns spannen einen Bogen von der Stadtgestaltung, über Wohnsiedlungen, die Gestaltung einzelner Häuser, die Räume zwischen den Häusern bis hin zu Innenarchitektur und Konstruktionsdetails.


2.1 Den Aufbau der Patterns erläutere ich anhand des Patterns “Entrance Transition”


2.1.1 Name
Sehr wichtig für jedes Pattern ist der Name. Vor allem für die Kommunikation unter den Benutzern der Patterns. Es genügt, den Namen des Pattern zu nennen, und jeder, der das Pattern kennt, erinnert sich der komplexen Zusammenhänge, dem Kontext, der Lösungsvorschläge und der Konsequenzen, die dieses Pattern enthält.

Das Pattern Nummer 112 hat den namen “Entrance Transition”


2.1.2 Kontext

Zuerst wird der Kontext beschrieben, in welchem das Pattern anzuwenden ist. Bei Alexanders Pattern Language wird dieser Kontext vor allem durch eine Nennung übergeordneter Patterns hergestellt.

Beim “Entrance Transition”-Pattern wird dieser Kontext durch die Patterns “Main Gateways”, “Family of Entrances” und “Main Entrance”, gebildet. Der Kontext für dieses Pattern ist der Übergang zwischen “draussen”, der öffentlichen Welt, und der privaten, weniger öffentlichen Welt im Gebäude.

Durch die Beschreibung des Kontexts mit Hilfe anderer Patterns entsteht ein Netzwerk aus Patterns. Am Ende jedes Pattern werden dem aktuellen Pattern untergeordnete und das aktuelle Pattern unterstützende Patterns aufgeführt. Durch die Trennung in über- und untergeordnete Patterns wird das Netzwerk der Patterns hierarchisch strukturiert. Alexander verzichtet auf eine graphische Darstellung dieses Netzwerks, vermutlich weil die zahl der Patterns zu gross und die Verbindungen zwischen den Patterns zu komplex sind, um sie übersichtlich darstellen zu können. Die Patterns sind im Buch “A Pattern Language” [AIS+77] -- das Medium buch lässt auch nicht anderes zu -- linear aneinander gereiht, wobei zuerst die übergeordneten und später die untergeordneten Patterns erklärt werden.


2.1.3 Problem oder Ziel

Im Anschluss an den Kontext wird in einem oder wenigen Sätzen das Problem beschrieben, für welches das Pattern eine Lösung bietet, bzw. das Ziel, welches mit Hilfe des Patterns erreicht werden soll.

“Gebäude, insbesondere Wohnhäuser, mit einem grosszügigen Übergang zwischen Strasse und dem Inneren des Gebäudes, sind ruhiger als jene, die sich direkt zur Strasse öffen”


2.1.4 Ausführungen

Im dritten Teil wird das Pattern ausführlich erläutert. Dabei werden die Lösungsansätze begründet und oft durch Statistiken, und gute oder schlechte Beispiele belegt. Alternativen werden aufgezeigt und deren Vor- und Nachteile erläutert.

/* expirience of entering inflünces way you feel inside
street behaviour (verschlossenheit, spannung, distanz) -> ablegen, entspannen
wanderausstellung , orangener teppich
fotountersuchung */


2.1.5 Lösung

Nun folgt die Essenz des Patterns komprimiert in einem oder wenigen Sätzen.

“Gestalte einen Übergang zwischen der Strasse und der Eingangstür. Der weg, der die Strasse mit dem Eingang verbindet sollte durch diesen Zwischenraum führen. der Zwischenraum sollte gekennzeichnet sein durch eine Änderung des Lichts, eine Änderung des Klangs, einen Richtungswechsel, eine Veränderung des Bodenbelags, einer oder mehreren Stufen, vielleicht durch Tore, vor allem aber durch eine Veränderung der Aussicht”

Wichtig ist, dass das Patterns nicht verbietend oder vorschreibend ist. Es beschreibt etwas Positives, etwas, das man versuchen kann zu bauen, obgleich man es natürlich jedesmal der Situation angepasst variieren würde. Es wird nicht einfach gesagt: “Baue niemals einen Hauseingang ohne eine Veränderung der höhe”.
Auch festzustellen ist, dass die meissten Patterns Werte transportieren. - den Wert eines privaten Ortes, den Wert des sich Wohlfühlens. Alexanders Ziel ist nicht, Häuser zu bauen die modisch sind, oder effizient, oder gut aussehen, er sucht nach Wegen, den Menschen durch die Architektur ein gutes Lebensgefühl zu vermitteln. Das ziel, das er anstrebt, nennt er “Timeless Way of Building” und die Essenz davon ist die “Quality without a Name”.


2.1.6 Verwandte Patterns

Abschliesent werden, wie schon erwähnt, untergeordnete und das Pattern unterstützende Patterns aufgeführt.

Beim “Entrance Transition”-Pattern sind das “Zen View”, “Garden Wall”, “Tapestry of Light and Dark”, “Entrance room” sowie “Intimacy Gradient”.


2.2 Wie entstehen Patterns?

Nach der Auffassung Christopher Alexanders verwenden wir alle Patterns, bewusst oder unbewusst, natürlich ohne unsere Verhaltens- oder Gestaltungsmuster Patterns zu nennen. Jeder von uns hat seine eigene “Pattern Language” im Kopf, und jede Gesellschaft hat eine gemeinsame Pattern Language, deren Patterns ihre Mitglieder gemeinsam nutzen. Diese Patterns beziehen sich natürlich nicht nur auf die Architektur, sondern auf alle Bereiche des Lebens.

Als Beispiel in der Architektur führt Alexander die Farmer früherer Generationen an. Ein Farmer erfuhr von seinen Vorfahren, wie man ein Haus oder eine Scheune baut, und worauf es dabei ankommt. Ein Farmer baut nur ein oder vielleicht zwei Häuser in seinem Leben, er ist also ein Laie. Trotzdem baut er ein für seine Zwecke perfektes Haus, ohne zuvor eine Zeichnung anzufertigen, ohne einen Architekten zu beauftragen. Er beginnt damit, mit Steinen den Grundriss des Hauses festzulegen und indem er das Wissen anwendet, das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird, entsteht Stein für Stein, und Pattern für Pattern, ein lebendiges Haus.

In der heutigen Gesellschaft verschwindet, zumindest in der Architektur und in vielen anderen Bereichen, zunehmend dieser Prozess des Weitergebens von Wissens. Der Sohn eines Farmers wird nicht wieder Farmer, sondern Automechaniker, er lebt nicht in der Großfamilie, sondern zieht in die Stadt, wo es keine Familie, und meist auch keine Nachbarschaft gibt. Das alte Wissen ist aber essentiell um lebendige Architektur zu schaffen, die dem Menschen gerecht wird, und in der sich der Mensch wohlfühlt. Alexander kritisiert auch die zeitgenössische Architektur, die den Menschen nicht mehr genug berücksichtige und sich nur noch Moden und dem Zweck der Repräsentation unterordne.

Mit seiner “Pattern Language” unternimmt Alexander einen Versuch, das Jahrhunderte alte Wissen zu konservieren. Er sammelt mit seinen Kollegen das alte Wissen. Er strukturiert es und isoliert die Teile in Patterns. Dabei sind die Patterns so einfach formuliert, dass jeder Laie sie versteht. und mit der Vorgehensweise, die er in seinem Buch “A Timeless Way of Building” beschreibt, soll auch jeder Laie in die Lage versetzt werden, mit Hilfe der Patterns sein Haus zu planen und zu bauen.


2.3 Kritik an der Pattern Language

Es wird häufig die Kritik geäussert, ein kreativer Prozess wie das Entwerfen eines Hauses lasse sich nicht in Formen und Regeln zwängen, jede Massregelung würde das Schaffen von Neuem behindern.

Alexander entgegnet, dass das Gegenteil der Fall sei. Auch die gesprochene und geschriebene Sprache sei ein definierter Katalog von Elementen und Regeln wie diese Elemente zusammen funktionieren. So ist für einen Schriftsteller (die Dadaisten natürlich ausgenommen) die Sprache keineswegs ein Hemmschuh, sondern die Grundlage für ihre Arbeit. Die Sprache gibt vor, wie Zeichen und Wörter anzuordnen sind, damit ein Satz entsteht. Der Schriftsteller muss sich nicht den Kopf zerbrechen, welche Zeichenkombination einen Sinn ergeben, hat aber trotzdem unendlich viele Möglichlichkeiten, mit der Sprache Prosa oder Poesie zu schaffen. Umso mehr Patterns der Schriftsteller kennt, und umso besser er mit ihnen umgehen kann, desto mehr wird Werk davon profitieren.


3. Design Patterns - Elements of Reusable Object-Oriented Software

In den letzten Jahren haben viele Software-Entwickler begeistert das Konzept der Patterns für ihren Bereich entdeckt. Einen großen Beitrag hierzu leistete 1995 die Veröffentlichung des Buches “Design Patterns” [GHJV95]. Wie die Patterns von Alexander, bieten diese Patterns Lösungen für Fragen des objektorientierten Software-Designs, die konkret genug sind, um sie schnell mit guten Ergebnissen in die Praxis umzusetzen, und trotzdem abstrakt genug, um sie in unzähligen Situationen einsetzen zu können, eingeschränkt nur durch die Vorstellungskraft und die Fähigkeiten ihres Anwenders.

Die Lösungen, die Erich Gamma und seine Kollegen vorstellen, äussern sich natürlich in Form von Objekten (Software-Module) und Interfaces (Schnittstellen zwischen Objekten) anstelle von Mauern und Türen, aber in ihrem Kern sind beide Arten von Patterns eine Lösung für ein Problem in einem bestimmten Kontext.

Man kann behaupten, dass sich das Konzept der Pattern Languages erst durch die Softwareentwickler durchgesetzt hat. Mit hilfe des Internets als Kommunikationforum, wurden und werden die “Design Patterns” diskutiert, verändert, neue Patterns formuliert. Das Konzept findet Anhänger und Wiederspruch. Auf jeden Fall ist es ein Thema, das die Gemüter bewegt.


4. Wann ist eine Pattern Language fertig?

Alle lebendigen Sprachen verändern sich im Laufe der Zeit in Lautung, Wortgestalt, Wortgebrauch, Wortschatz und Syntax. Jeder, der eine Sprache verwendet, richtet sich nach den Konventionen, um eine Kommunikation zu ermöglichen, gestaltet diese aber auch mit und verwendet seine eigene Aussprache, seinen eigenen Wortschatz und seine eigene Syntax.

Ebenso muss sich eine Pattern Language durch ihre Benutzung verändern. Kein Autor oder keine Gruppe von Autoren, kann für sich in Anspruch nehmen, mit der Veröffentlichung eines Buches die endgültige Sprache für alle Kollegen festgelegt zu haben.

Bei den Software-”Design Patterns” findet eine Diskussion und Veränderung der “Pattern Language” statt. Im Internet, auf Konferenzen, durch Publikationen.

Christopher Alexander schlägt vor, jeder solle sich aus den Patterns eine eigene “Sublanguage” zusammenstellen, diese durch eigene Patterns ergänzen, sowie die vorhandenen Patterns bei nichtgefallen verändern. Er gibt sogar den sympathischen Rat, man solle die Namen der veränderten Patterns im Buch durchstreichen und einen eigenen notieren. Seit kurzem beginnt Christopher Alexander eine Website im Internet aufzubauen (http://www.patternlanguage.com) auf der die Patterns diskutiert werden und mit deren Hilfe die Benutzer seiner Pattern Language zusammen finden sollen.



Bibliographie

[AIS+77]
Christopher Alexander, Sara Ishikawa, Murray Silverstein, Max Jacobson, Ingrid Fiksdahl-King und Shlomo Angel
A Pattern Language
Oxford University Press, New York, 1977

[Ale79]
Christopher Alexander
The Timeless Way of Building
Oxford University Press, New York, 1979

[GHJV95] Erich Gamma, Richard Helm, Ralph Johnson und John Vlissides
Design Patterns: Elements of Reusable Object-Oriented Software
Addison Wesley, Reading MA, 1995